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Welche Risiken bestehen für die Weltwirtschaft?
Bruno Cavalier – Chefökonom ODDO BHF
WESENTLICHE PUNKTE:
- Die Weltwirtschaft hat sich in den letzten zwei Jahren als erstaunlich robust erwiesen.
- Dank Deflation und sinkenden Zinsen dürfte sich die weiche Landung fortsetzen.
- Eine Abkehr von dieser Entwicklung ist jedoch möglich, da sich das globale Wachstum ungleichmäßig verteilt.
- Ein Wahlsieg von Trump könnte zu tiefgreifenden Veränderungen bei Handel und Geopolitik führen.
Die Weltwirtschaft hat zwei Schocks von selten dagewesener Intensität überstanden, die sie hätten zu Fall bringen können. Sie hat sich als ausgesprochen widerstandsfähig erwiesen. Zum einen hat der Inflationsschub der Jahre 2021 und 2022 weitgehend an Schwung verloren. Nach Schätzung von Bloomberg liegt die weltweite Inflationsrate, die bis Ende 2022 auf über 10 % hochgeschnellt war, jetzt bei etwa 5 %. In Europa sank die Inflation wieder auf unter 3 % und ist damit nicht mehr weit von der Zielmarke von 2 % entfernt. Darüber hinaus hat sich der Anstieg der Zinssätze beruhigt, da die Notenbanken das Ende ihrer restriktiven Geldpolitik erreicht haben. Für die kommenden Monate erwägen sie sogar erste geldpolitische Lockerungen.
Der Inflationsschub schmälerte zwar die Kaufkraft der Haushalte, aber nicht so stark, dass es zu einer Rezession gekommen wäre. Steigende Zinssätze verteuerten die Finanzierung, doch mit Ausnahme der Kredite im Immobiliensektor wurden die Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik ohne größeren Schaden absorbiert. Besonders bemerkenswert sind die soliden Zahlen an den Arbeitsmärkten. Für die Dämpfung der Inflation war kein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit notwendig. Die Konsenserwartungen lassen sich grob folgendermaßen zusammenfassen: Die Disinflation wird das Vertrauen der Haushalte wiederherstellen und den Konsum ankurbeln, während die sinkenden Zinsen die finanzielle Belastung der Unternehmen verringern und Investitionen begünstigen werden. Einige Experten vertreten sogar die Ansicht, es werde zu einem durch die künstliche Intelligenz geförderten Produktivitätsboom kommen. Wäre das nicht zu schön, um wahr zu sein?
Zwischen den Schwarzsehern, die immer wieder neue Krisen vorhersagen, und den tollkühnen Optimisten besteht Platz für einen vernünftigen Umgang mit Risiken. Bei ihrer Beurteilung unterscheiden wir zwischen wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Risiken. Es versteht sich von selbst, dass zwischen diesen Wechselwirkungen bestehen.
Wirtschaftliche Risiken: Die Weltwirtschaft ist zwar dem schlimmsten Szenario entkommen, die gegenwärtige Situation ist jedoch nicht ohne Anfälligkeiten. Zunächst einmal haben sich die Unterschiede zwischen den Großregionen vergrößert. Die Vereinigten Staaten verzeichneten 2023 eine über ihrem Potenzial liegende Geschäftsdynamik, gleichzeitig stagnierte jedoch Europa, und in China kam trotz der Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen keine echte Konjunkturerholung in Gang. Das globale Wachstum ist ungleichmäßig verteilt und deshalb schwach. Nach Schätzungen des IWF wird es in diesem Jahr voraussichtlich bei etwa 3 % liegen. Vor der Pandemie hätte man eher eine Wachstumsrate zwischen 3,5 % und 4 % erwartet.
Darüber hinaus verschlechterte sich die Lage der öffentlichen Finanzen. Die mit höheren Refinanzierungssätzen konfrontierten Länder müssen verstärkt auf ihre Verschuldung achten. Dies kann eine restriktivere Haushaltspolitik notwendig machen, von der auch Investitionsprogramme betroffen sind, die angesichts der großen Herausforderungen der Zukunft (Verteidigung, Technologie, Klimawandel) notwendig wären. Auch hier bilden die USA eine Ausnahme, sie können sich auf den Vorteil des US-Dollars stützen und übermäßig hohe Staatsdefizite beibehalten. Dies birgt das Risiko einer Überhitzung und könnte möglicherweise die US-Notenbank dazu veranlassen, die Zinssenkung aufzuschieben. Dies wäre für die Finanzmärkte, die so sehr auf diese Wende der Geldpolitik gesetzt haben, eine große Enttäuschung.
Zu guter Letzt ist der Welthandel zunehmend fragmentiert. Nach der Finanzkrise von 2008, und noch mehr nach der Pandemie von 2020, wird der freie Handel nicht mehr als eine Tugend betrachtet, die allen Ländern nutzt. Überall gibt es protektionistische Tendenzen, die gelegentlich unter anderem Namen daherkommen: Industriepolitik, Sicherung der Versorgung, nationale Unabhängigkeit. Der Welthandel verläuft seit zwei Jahren ohne große Veränderungen (Grafik).
Politische Risiken: 2024 finden in etwa 70 Ländern, in denen ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, Wahlen statt. Davon hat eine tatsächlich das Potenzial, einen globalen Schock zu verursachen: die Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November. Diese Wahl ist in verschiedener Hinsicht atypisch. Es ist eine Wiederholung des Zweikampfs des Jahres 2020 zwischen Joe Biden und Donald Trump, zwei alte Männer, über deren körperliche und geistige Gesundheit es viele Spekulationen gibt. Wie fast immer besteht die Gefahr, dass über der Sieger in einer Handvoll Pivot-Staaten mit einem Unterschied von wenigen hunderttausend Stimmen (bei über 160 Millionen registrierten Wählern) entschieden wird. Das Ergebnis ist sehr offen.
Donald Trump hat seine Niederlage bei den Wahlen im Jahr 2020 nie zugegeben. Er ist von dem Wunsch nach Rache getrieben, zumal er in eine Vielzahl von Prozesse verstrickt ist. Seine Wirtschaftspolitik folgt der von 2016, treibt sie jedoch noch einmal auf die Spitze. Auf wirtschaftlicher Ebene verspricht er zwei Dinge: Steuersenkungen für Unternehmen und eine Erhöhung der Einfuhrzölle. 2016 hatte sich Trump als „Tariff Man“ bezeichnet, sein Hauptaugenmerk war damals vor allem China. Diesmal will er alle Importe besteuern, egal woher sie kommen. Dies könnte anderen Ländern als Vorwand für Vergeltungszölle dienen. In internationalen Angelegenheiten verspricht Donald Trump, die historischen Bündnisse der USA mit europäischen und asiatischen Staaten zurückzufahren, was die Welt unberechenbarer machen würde.
Geopolitische Risiken: Jeder der großen Spannungsherde – Asien, die Ukraine und der Nahe Osten – kann angesichts der komplexen Lagen eskalieren. Asien ist die wichtigste Region, in der sich die USA und China gegenüberstehen. Zwischen den beiden Mächten, die nach technologischer und militärischer Vorherrschaft streben, besteht glücklicherweise kein offener Konflikt, aber selbst unterschwellige Spannungen wirken sich zwangsläufig auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus. In Bezug auf den Ukrainekrieg, der mittlerweile schon seit zwei Jahren andauert, macht sich bei einem Teil der westlichen Öffentlichkeit eine Ermüdung bemerkbar. Die Regierungschefs schwanken zwischen dem Wunsch, Russland keinen unumkehrbaren Vorteil zu verschaffen, und dem Bewusstsein für die Kosten eines deutlicheren Engagements an der Seite der Ukraine. Wenn auf beiden Seiten das Risiko einer nuklearen Option zur Sprache kommt, bedeutet dies, dass die Unsicherheit weit über das normale Maß hinausgeht. Was den Nahen Osten, die wichtigste Förder- und Transitregion für Erdöl und Gas, betrifft, hält die Geschichte mehrere Beispiele für einen Flächenbrand mit Auswirkungen auf die Energiemärkte und die Wirtschaft bereit. Zum jetzigen Zeitpunkt haben die Regionalmächte dieses Szenario zwar vermieden, doch die Handelsströme, die normalerweise durch den Suezkanal fließen, werden inzwischen um Afrika herum geleitet. Die Störungen und zusätzlichen Kosten sind zwar nicht mit denen während der Pandemie vergleichbar, aber sie sind Teil der Fragmentierung der Welt.
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